Unsere Mammutbäume im Achterhoek

Bäume bestehen doch nur aus Holz, Bäume machen Dreck, Bäume nehmen Licht weg und sie stehen Nutzflächen, Bebauungsflächen und Verkehrsflächen im Wege.

Sich dann noch die Zeit zu nehmen über zwei Bäume einen Bericht zu schreiben, diesen zu veröffentlichen und von Menschen zu erwarten, dass sie ihn aufmerksam lesen. Dies muss doch unwahrscheinlich langweilig sein …

Urteilen sie selbst:

Ein wenig Wissen über die Biologie unserer Bäume kann nicht schaden. Wenn man dann die Geschichte eines Baumes kennt, erst recht, wenn er über 250 Jahre alt ist und direkt vor unserer Haustüre steht, wird es äußerst spannend.

• Bäume filtern unsere Luft und sind lebenswichtige Sauerstoffproduzenten
• Bäume bieten Schutz und Lebensraum für unzählige Insekten, Säugetiere sowie Vogelarten
• Bäume können uns nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung liefern
• Bäume dienen als Erkennungspunkt, sind landschaftsprägend und lassen uns wissen,  welche Jahreszeit herrscht

„Grün ist Leben“ und natürlich ist nichts zutreffender als diese Tatsache. Die Bedeutung von „grün“ in der Lebensumgebung von Menschen ist von unschätzbarem Wert. Oft wird hierbei lediglich an Bäume und Pflanzen in der städtischen Umgebung gedacht. Vergessen wir aber nicht, dass auch in agrarisch geprägten Gebieten wie unserer niederrheinischen Heimat Bäume eine wichtigere Rolle spielen als viele von uns denken.

Wer kennt sie nicht, unsere von der unteren Landschaftsbehörde des Kreises Kleve zum Naturdenkmal erhobenen und deshalb besonders geschützten Nadelbäume in der Nähe des Dorfplatzes am Achterhoeker Schulweg? Nach Beendigung des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren es Achterhoeker Heimkehrer, die zwei aus Kalifornien mitgebrachte Setzlinge am heutigen Standort gepflanzt haben.

So begann die wechselhafte Geschichte unserer beiden Mammutbäume im Achterhoek.

Botanische Erläuterungen:

Klasse: Coniferopsida
Ordnung: Koniferen (Coniferales)
Familie: Zypressengewächse (Cupressaceae)
Unterfamilie: Mammutbäume (Sequoioideae)
Gattung: Sequoiadendron
Art: Riesenmammutbaum

Besonders imposante, immergrüne und flachwurzelnde Koniferenart, die in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet (USA-Kalifornien) über 100 m hoch auswachsen kann und einen Stammdurchmesser von bis zu 12m erzielt. In Europa kann diese Baumart bis zu 30 – 50 m hoch werden und einen Kronendurchmesser von ca. 8 – 9 m entwickeln.

Die faserige Rinde kann 30 – 60 cm dick werden, wodurch sich der Baum selbst vor den in seiner kalifornischen Heimat oft vorkommenden Waldbränden schützen kann. Die Bodenbeschaffenheit der Standorte sollte vorzugsweise nährstoffreich sein.

Der älteste bekannte Mammutbaum, wächst im Sierra Nevada Gebirge in den USA, ist schätzungsweise 3000 Jahre alt und etwa 100 Meter hoch. Der Stammumfang bei älteren Bäumen dieser Art beträgt bis zu 30 Meter, so dass man bequem eine Straße durch sie hindurch führen könnte.

Der Mammutbaum wurde nach Sequoiah (Georg Gist), dem Sohn eines deutschen Einwanderers und einer indianischen Frau vom Cherokee Stamm benannt. Er wuchs bei den Cherokee Indianern auf, für die besonders Mammutbäume heilig waren. Soweit bekannt ist noch nie eine Sequoia an Alter gestorben. Nur eine Naturkatastrophe oder der Mensch können das Leben dieser Baumart beenden. Nach Bedrohung durch Holzschlag sind die natürlichen Wachstumsgebiete in den USA inzwischen zu Nationalparks erklärt worden.

Historische Vorgeschichte und Herkunft:

Der preußische König Friedrich der Große (der Alte Fritz) unterstützte im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775-1783 die gegen die englische Armee kämpfenden Milizen. Vor dieser Zeit war Friedrich Wilhelm von Steuben Befehlshaber der Garnisonsstadt Wesel und rekrutierte während seiner Dienstzeit viele junge Männer aus der niederrheinischen Gegend.

Im Jahre 1777 erhielt von Steuben während einer Zusammenkunft mit dem bekannten Unabhängigkeitskämpfer Benjamin Franklin das lukrative Angebot, Generalinspekteur der amerikanischen Befreiungsarmee werden zu können. In Preußen drohte ihm wegen seiner homosexuellen Veranlagung eine Verfolgung und deshalb kündigte er seinen Dienst beim preußischen Militär. Er überzeugte viele seiner Männer davon ihn ins gelobte Land zu begleiten und stellte im fernen Amerika eine schlagkräftige Truppe zusammen.

Einige dieser in überwiegend ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen Männer stammten aus Achterhoek und die Armee bot ihnen Sold und Nahrung. Die Orts- bzw. Flurbezeichnung Achterhoek war damals noch nicht bekannt und die Flächen und umliegenden Höfe gehörten überwiegend zum Rittersitz Winkel. Versetzen wir uns mal kurz in die Lage dieser jungen Männer …

Sie verließen ihre Heimat und ihre Familien, um in ein fremdes, weit entferntes Land (die neue Welt) zu reisen, in dem sie als Söldner für Grundrechte kämpfen sollten, die in Mitteleuropa noch weitestgehend unbekannt waren: Freiheit und Bürgerrechte!

1781 kam es zur Entscheidungsschlacht bei Yorktown, die in amerikanischen Geschichtsbüchern auch als „deutsche Schlacht“ bezeichnet wird. Bis in die heutige Zeit wird mit der jährlich stattfindenden Steubenparade diesem historischen Ereignis Ehre erwiesen. Nach dem Sieg gegen die Engländer blieben viele der überlebenden Deutschen als freie Männer in Amerika und empfingen Ruhm, Ehre und Grundbesitz als Belohnung.

Zwei dieser Männer waren – und dies ist historisch belegt – die Gebrüder Koenen von der Stammenkate aus dem Achterhoek. Die Gebrüder Koenen waren Urgroßonkel von dem gebürtigen Achterhoeker Peter Koenen, der heute zusammen mit seiner Ehefrau Gertrud und dem gemeinsamen Sohn Jürgen in Winnekendonk lebt.

Gerhard Koenen um 1830

Einer dieser beiden Männer wurde später sogar Bürgermeister in einer amerikanischen Stadt bei Washington. Einzelne Männer wie ein Angehöriger der Familie von der Heyden Rynsch kehrten zur niederrheinischen Heimat zurück und sie brachten die zum Anfang meines Berichts erwähnten Jungpflanzen aus Kalifornien mit.

Ein geeigneter Standort auf dem Grund und Boden der auf Haus Winkel lebenden Adelsleute wurde schnell gefunden und 1840 wurde in der Nähe der Bäume das erste Schulgebäude im Achterhoek errichtet.

Aktuelle Situation:

Wie bereits einleitend beschrieben, handelt es sich hierbei um Naturdenkmale, die besonders geschützt und in regelmäßigen Abständen untersucht sowie fachmännisch gepflegt werden. In der Vergangenheit wurden die Bäume mehrfach durch Blitzeinschläge getroffen und das Sturmtief Kyrill sorgte in 2007 für erhebliche Schäden im Kronenbereich.

Die Versiegelung der Baumscheiben und die dadurch resultierende Unterversorgung mit Wasser und Nährstoffen, führte zu eingeschränktem Wachstum. Zudem haben Tiefbaumaßnahmen in der Vergangenheit oftmals zu Beschädigungen der Wurzelsysteme geführt.

Trotz dieser vielen Beeinträchtigungen geht es den beiden Mammutbäumen relativ gut und der Gesundheitszustand ist als zufriedenstellend zu bezeichnen. Die Größe der Bäume liegt bei über 20m und die Stammumfänge bei über 4m. Eine durchgeführte und sehr aufwendige Stammuntersuchung ergab, dass die Bäume über 230 Jahre alt sind.

Erläuterungen zu den Diagrammen: Unsere Mammutbäume wurden mit einem Resistograph untersucht. Mittels Bohr-Widerstandsmessprinzip wird das Holz dabei nur geringfügig mit einer 1,5-3mm starken Bohrnadel verletzt wobei die Bohrspäne im Bohrloch verbleiben und dadurch das Bohrloch wieder verschließen. Bei der Auswertung der Messergebnisse kann die Vitalität bzw. Holzveränderung (Fäule, Pilzbefall, Hohlraum und Bruchgefahr) festgestellt werden. Vom Prüfdiagramm kann man auch relativ genau ablesen, in welchem Alter sich die untersuchten Bäume befinden.

Zukunft der Bäume:

Die Umgestaltung des Achterhoeker Dorfplatzes und dessen Umfeld wird zur dauerhaften Standortverbesserung unserer Mammutbäume führen. Die Versiegelung der Baumscheiben wird behutsam entfernt und durch einen wasserdurchlässigen Oberflächenbelag ersetzt. Das Wurzelsystem wird im Anschluss mit technischen Hilfsmitteln belüftet, gedüngt und mit einem Bewässerungssystem versehen.

Schlussbemerkungen:

Wir können uns hoffentlich noch lange am Wachstum und dem einzigartigen Charakter dieser beiden imposanten und sehr alten Bäume erfreuen. Generationen vor unserer Zeit und noch viele Generationen nach uns können von diesen Pflanzen profitieren. Geben wir ihnen eine Chance weiter wachsen zu dürfen und lassen sie uns alles für ihren Erhalt tun.

Falls sie weitere Informationen über unsere alten Mammutbäume im Achterhoek haben oder sich altes Bildmaterial in ihrem Besitz befindet, lassen sie es uns bitte wissen.

(jb)

Zitat von Louis Mercier (1740-1814) (der in der Zeit lebte, als unsere Bäume gepflanzt wurden):
„Einen Baum zu pflanzen ist ein Zeichen von Vertrauen in die Erde, eine Tat voll Hoffnung auf die Zukunft, eine Handlung der Nächstenliebe gegenüber nachfolgenden Generationen, die seine Früchte genießen werden, wenn wir nicht mehr da sind.“