Hallo liebe Mitglieder,
eine kleine Nachlese …
Wenn einem auf dem Weg zum Dorfplatz bereits 2 Polizeistreifen begegnen, dann hat man damit das sonst übliche Jahresaufkommen an Polizeipräsenz im Achterhoek bereits beisammen. Es spricht für hohen Besuch in unserer kleinen Bauernschaft. Die Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks setzte mit ihrem Besuch ein Versprechen um, das sie dem NuK auf der Grünen Woche in Berlin gegeben hatte. Wenn es einem Dorf – u.a. wegen der guten Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Naturschutz – gelingt, die Silbermedaille auf Bundesebene im Dorfwettbewerb zu erhaschen, dann kann man dort auch schon mal einen Blick hinter die Kulissen werfen. Gesagt – getan!
Mit großen Ankündigungen hatte sich der NuK zurückgehalten. Wir befürchteten, dass in der beginnenden Wahlperiode die politische Werbung in eigener Sache zum eigentlichen Thema würde. Somit kam uns das „kleine Kino“ sehr entgegen. 12:25 Uhr – Schon fast unauffällig rollte der Hybridwagen der Ministerin auf den Dorfplatz. Auf Personenschutz hatte man verzichtet. Wir werten dies als ein Zeichen des Vertrauens. Der Chauffeur half Frau Ministerin noch elegant aus dem Auto und dann war sie auch schon mitten drin. Unaufgeregt, mitteilsam und zuhörend gleichermaßen.
Rainer Verhülsdonk startete mit der Begrüßung unseres Gastes. Dabei ging er auf den schmalen Grad der Machbarkeit zwischen den beiden Interessenvertretern (Landwirte/Naturschützer) ein und ließ nicht unerwähnt, dass wir nicht immer offene Türen einrennen. Naturschutz hat sich in einer gewissen Weise auch an der Kulturlandschaft zu orientieren. Ohne unsere Landwirte können wir nur weniger erreichen, als gemeinsam mit ihnen zusammen. Lange Reden wollte er nicht schwingen, dafür gab es zu viel anderes zu erleben und übergab damit das Wort an unseren Bürgermeister.
Dr. Pichler – gefühlter Achterhoeker – bekannte sich abermals zur Bauernschaft. Mit der Ministerin per Du, erklärte er sich schon gewohnheitsmäßig von den Achterhoekern begeistert. Auch er fasste sich in kurze Worte und wir entließen ihn in sein verdientes Wochenende mit der Familie.
Frau Hendricks sagte in ihrer Ansprache (sinngemäß), dass es in der Tat darum gehe, das dörfliche Leben auch für die Zukunft zu stärken und zu erhalten. Wir müssen es in Deutschland hinbekommen, dass das dörfliche Leben weiterbesteht und dies braucht natürlich als Kristallisationspunkt auch die Landwirtschaft, aber es müsse schon eine nachhaltige Landwirtschaft sein, so Frau Hendricks.
Weiterhin sagte sie: Wir müssen unser Leben in Zukunft im Einklang zwischen Natur, Landwirtschaft und unterschiedlichen Interessen gestalten. Um das Leben im ländlichen Raum lebenswert zu erhalten, brauchen wir die kleinen Städte – so wie Kevelaer -, denn dort gibt es die Grundversorgung wie Lebensmittelmärkte, Ärzte , Krankenhäuser usw..
Nach der Begrüßung durch Frau Hendricks begann die Rundreise.
2 landwirtschaftliche Betriebe wollte sie gerne ansehen und auch einen Blick in die Mühle werfen. Der NuK an sich interessierte sie und natürlich das ökologische Gedankengut im Achterhoek.
Jörg und Romi Werner stellten ihren Möllenhof vor und erklärten die Geschichte vom ersten Tag bis zum Biohof. Produktion, Vertriebsweg und die Wertschätzung von Fleisch wurden besprochen. Frau Hendricks merkte an, dass sie wenig Verständnis dafür habe, dass Menschen mitunter einen Grill für 600 Euro und mehr kaufen, aber nur 3,99 für das Fleisch bezahlen möchten. Sie selbst gestand ein, dass es auch ihr nicht immer gelinge „Bio“ zu kaufen. In der Mühle empfing Familie Holbeck-Bey die Gästeschar. Dem kurzen Abriss der Mühlengeschichte folgte die Erläuterung, wie aus einem Hobbie ggf. einmal eine Vollzeitbeschäftigung werden könnte. Die Bierbrauerei, die Bey mit seinem Kelderhorst betreibt, brachten ihm viele Rückfragen ein. Anschließend besuchte Frau Hendricks noch den Boomshof der Familie Stenmans. Sie war schlicht erstaunt, dass hier Tiere von der Geburt an den gesamten Lebenszyklus durchleben und lauschte Bernhard Stenmans ausführlich bei seinen Erläuterungen und der Schilderung, wie man aus seiner Sicht die Landwirtschaft zu Gunsten beider Seiten verbessern könnte.
Auf der Ploodyck zeigte der NuK, wie es aussehen kann, wenn man die Bankette zum Nektar-Eldorado verwandelt. Ein gutes Beispiel, an dem erläutert werden konnte, wo die bürokratischen Hürden einem das Leben schwer machen können. Weil die Zeit aber dahin ran, wie Honig in der Sonne, musste der Blick aus dem Busfenster auf den Blühstreifen ausreichen.
Die Saatgut-Versuchsflächen von Johannes Baaken stellten die nächste Station dar. (Wir hatten über die Hintergründe bereits berichtet.) Mit großem Interesse folgte Frau Hendricks den Erklärungen unseres Gärtnermeisters. Den Wunsch Saatgutmischungen aus dem Katalog auf eigene Bedürfnisse zurecht zu stutzen, zu zerpflücken und selbst neu zusammen zu stellen, kannte sie in dieser Form noch nicht.
Das nächste Reiseziel war die Vereinswiese. Auf dem Weg dorthin erzählte unser Vorsitzender Rainer Verhülsdonk wie es zur Anpachtung kam, welche Ziele er und der Verein dort verfolgen und wie diese Gedanken Stück für Stück ihren Weg in die Realität gefunden hatten. Natürlich fand auch unser Backofen seine Würdigung.
Die nächste und letzte Station war die alte Feldscheune im Naturgarten op den Vorsum. Hier gab es die Gelegenheit für alle Anwesenden ihre Fragen an die Vertreterin des Umweltministeriums los zu werden. Eine gute Gelegenheit für unsere Jugendvertreter Informationen aus erster Hand zu erhalten. Paula Bey und Amelie David taten dies stellvertretend für die Jugend und wollten wissen, wieso Mikroplastik in Kosmetik überhaupt verwendet werden darf. Auch das gesetzliche Ende der Plastiktüte wurde hinterfragt. Babara Hendricks antwortete umfassend und verständlich und reduzierte ihre Rhetorik so, dass die beiden Mädels keine Nachfragen hatten. Die beiden haben die Jugendgruppe souverän vertreten.
Die Gülle und ihre Auswirkung auf unser Grundwasser war eines der am meisten bedachten Stichpunkte, welches die Runde machte. Mal aus Sicht der Landwirte, mal aus Sicht der Naturschützer. Dass Frau Hendricks nicht nur gekommen war, um zu beschwichtigen, erfuhren wir als sie zeitweise auch den Ausführungen deutlich widersprach. Die Diskussion war authentisch und Argumente bestimmten die Antworten. Ausweichmanöver und Drumherumgerede gab es nicht. Wir erhielten tatsächlich klare Antworten. Wir hatten keinen Besuch einer Wahlkämpferin, sondern von jemand, der ehrlich Interesse am Geschehen zeigte und unsere Fragen aufrichtig beantwortete. Klasse!
Anfangs hatten wir die große Sorge, dass dieser Besuch zur Wahlkampfshow genutzt werden könnte. Dem war definitiv nicht so. Kein einziges Mal wurde eine Partei erwähnt oder auch nur im Ansatz eine Werbung für die eigene Person unternommen. Frau Hendricks war einem Interesse gefolgt, das nicht mit eigenem Profit einhergeht. Fast möchte man sich für diesen Gedanken entschuldigen.
Es waren 2 Stunden – Mehr nicht! Wir hätten mit unseren Fragen weitere Stunden füllen können. Viele Themen blieben unberührt, obwohl sie nach Dringlichkeit schreien. Da wir ahnten, dass die Zeit davon rennen würde, hatten wir im Vorfeld bereits einen kleinen Fragenkatalog niedergeschrieben. Diesen haben wir unserer Umweltministerin zum Abschied überreicht. Sie gelobte uns, dass diese Fragen nicht unbeantwortet bleiben werden.
Auf dem Weg zu ihrem Chauffeur erklärte Frau Hendricks noch einmal ihre Eindrücke über den Achterhoek. Sie sagte, dass sie tief beeindruckt wäre und dass der Achterhoek einen beispielhaften Charakter zeige. Das Netzwerk, das wir aufgebaut haben, sei beeindruckend. Die Herangehensweise und der Umgang miteinander seien es, die wohl den Erfolg bringen.
Dass ein/e Bundesminister/in den Achterhoek besucht war eine Premiere. Die Preisverleihung des Kevelaerer Marketingpreises an den Achterhoek als Gemeinschaft im Bühnenhaus war also nicht von ungefähr. Die Signale, die wir aussenden treffen auf interessierte Menschen. Es entwickeln sich Dialoge, bei denen es oft darum geht, wieso wir es schaffen, uns an einen Tisch zu setzen. Zugegeben, es sitzen nicht alle am Tisch. Wir werden weiterhin auf den friedlichen Dialog und auf die Suche nach gemeinsamen Schnittstellen setzen. Wir laden sogar gerne dazu ein, sich mal gegenseitig richtig die Meinung um die Ohren zu hauen. Aber danach muss die Verfolgung gemeinsamer Ziele stehen. Lasst uns weiter dran arbeiten. Hier, lokal für uns und mit unseren Sorgen und Nöten. Dennoch als Beispiel für andere, die sich derzeit noch überwerfen. Für eine lebenswerte und enkelfähige Zukunft, die alle berücksichtigt.