NuK-Artenschutzprojekt „Die vergessenen Aale“ geht in die nächste Runde

… und liefert eine kleine biologische Sensation.

Anguilla anguilla am Beginn seiner großen Reise.

Auch in diesem Jahr ist der NuK in Sachen Artenschutz tätig. Wir berichteten bereits im letzten Jahr ausführlich über die bedrohte Situation des Aals. Matthias David, der Geschäftsführer des Vereins hat auch in diesem Jahr wieder ein Gewässer gefunden, in dem es „vergessene Aale“ gibt.

Diese Aale wurden vor fast 40 Jahren von Anglern oder Fischzüchtern dort eingesetzt. Dann wurden diese Tiere – aus welchen Gründen auch immer – dort schlichtweg vergessen. Manchmal wurden Angelgewässer aufgegeben oder Grundstücke mit Gewässern wechselten die Besitzer und die neuen Seeeigner zeigten kein Interesse an der Angelei oder am Fisch.

Altersbestimmung anhand der Gehörsteinchen
Aale im “Zwischenlager”

Eines ist in allen Fällen gleich. Es verbleiben immer Restmengen an Aalen in solchen geschlossenen Gewässern, wo sie schlicht und ergreifend nicht hin gehören. Wie sollen sie ohne Anbindung an ein Fließgewässer abwandern können, um sich zu vermehren. Alle diese Aale gelten als verloren. Nur eben dann nicht, wenn man sie mittels Reusen oder Elektrobefischung wieder einfängt und zum Rhein bringt. Seit einer Woche sind unsere Reusen wieder scharf gestellt und werden jeden Tag kontrolliert. Nebenbei erhält man so einen feinen Überblick, welche Arten sich dort noch tummeln. Auch eine Gelbwangenschildkröte fand so ihren Eintrag in die Artenliste.

In dieser Woche waren es 10 Tiere, die gefangen werden konnten. 2 Männchen und 8 Weibchen. Diese Aale sind zwischen 34 und 36 Jahren alt und warten seit über zwei Jahrzehnten darauf sich aus dem Staub machen zu dürfen.

Während Matthias David im letzten Winter einen Bericht über vergangene Aktionen verfasst hatte und diesen mit Bildern ausschmückte, fiel sein Blick auf die Schwanzflosse eines Tieres. Sie lugte aus dem Reusennetz hervor und sah so gar nicht aus wie die Schwanzflosse von Anguilla anguilla. Dafür war sie zu breit gefächert und vor allen Dingen –so zeigt eine andere Aufnahme – war die Schwanzflosse mit Flossendornen besetzt. Für den gewässerinteressierten Menschen ist dies so, als entdecke der Ornithologe eine Amsel mit einem blauen Schnabel. Bei der Sichtung weiterer Bilder konnte die Erscheinung wiederholt bestätigt werden. Die Recherche begann. Kein Bild, keine Zeichnung oder Lehrtafel im Internet zeigt den Aal mit Flossendornen, nur selten war die Schwanzflosse annähernd so breit wie bei den geborgenen Tieren. 

Reusenfang mit Überraschung: Passt diese Schwanzflosse zum europäischen Aal?

Wir nutzten unsere guten Kontakte zum Landesamt in Albaum. Die Fischspezialisten müssten uns ja weiterhelfen können.

Wir erhielten auf unsere Anfrage folgende Antwort von Herrn Gerhard Feldhaus:

„Mir persönlich sind solche Schwanzflossenveränderungen bisher nicht aufgefallen, aber ich habe Ihre Anfrage an unsere Experten in Sachen Aal weitergeleitet.“

Eine weitere Anfrage sendeten wir an das „Institut für Binnenfischerei“ (IfB) in Potsdam.

Herr Eric Fladung antwortete:

„… durch unsere mittlerweile mehrjährigen Aalforschungen haben wir einen ganz guten Überblick über die einschlägige Aalliteratur. Weder aus der aktuellen noch aus der älteren Literatur sind uns Publikationen oder Berichte über die von ihnen geschilderten Veränderungen der Schwanzflosse bekannt. Selbst Forschergruppen, die sich intensiv mit der Blankwerdung und Vermehrung von Aalen beschäftigen, haben über solche Veränderungen bislang nicht berichtet. …“.

Auch Herr Wysujack vom „Thünen-Institut für Fischereiökologie“ in Ahrensburg antwortete:

„… Sieht zumindest interessant aus … – mir ist das jedenfalls so noch nicht aufgefallen….“

Wir mussten also feststellen, dass es gar nicht gibt, was wir da entdeckt haben. 

Ein Grund mehr in diesem Jahr sehr genau hinzusehen. Und tatsächlich auch die Fänge in diesem Jahr haben diese „Anomalie“ der Flosse. Spekulationen von Krankheit und Zuchtfolgen konnten in den Diskussionen weitgehend ausgeschlossen werden. Wir haben die Hypothese entwickelt, dass es entweder eine Metamorphose ist, die über den Zenit hinaus entwickelt ist oder eben die letzte Metamorphosestufe, bevor der Aal in die Tiefsee abtaucht. Da ihn dort bislang nie jemand beobachten konnte, war dieses Merkmal bislang schlicht unbekannt.  

Wenn Angler Aale fangen, sind diese selten älter als 16 bis 18 Jahre. Zudem liegt die Schwanzflosse eng am Körper an, wenn er aus dem Wasser genommen wird. Die kleinen Ecken fallen einem dabei kaum ins Auge. Ohnehin wandelt sich der Aal stufenweise. Die größten Veränderungen beginnen erst mit der tatsächlichen Abwanderung. 

   

Bisher unbekannt: Stark ausgeprägter Flossendorn beim europäischen Aal (Anguilla anguilla)

  

Wie geht es weiter?

Das Landesamt für Fischereiökologie (LANUV NRW) hat Interesse signalisiert und sich bereit erklärt die Genetik der Tiere zu hinterfragen. Es werden Proben der Tiere entnommen und untersucht. Dann erst haben wir Klarheit, ob es sich auch sicher um unseren heimischen europäischen Aal (Anguilla anguilla) handelt.

Des Weiteren wird jedes Tier penibel von uns vermessen. Gesamtlänge, Gewicht, Pupillendurchmesser, Brustflossenlänge und die Schwanzform wird erfasst. Wenn die Daten von zirka 30 – 40 Tieren zusammen getragen wurden, werden diese vom IfB Potsdam ausgewertet. Die Spezialisten dort können mit den Daten ermitteln in welchem Stadium der Metamorphose sich die Tiere befinden.

Wenn wir das alles geschafft haben, werden wir über die nächsten Fragen nachdenken, die wir uns stellen müssen. Vielleicht muss den Fachbüchern über die Aale, in Zukunft ein Absatz aus Achterhoek hinzu gefügt werden. Warten wir es ab. Die Aale tun dies schließlich auch seit Jahrzehnte

  

Nach zwei Jahrzehnten Wartezeit geht endlich die große Reise los.